Ein trauriger Tag – die Briten treten aus der EU aus

Gestern haben die Briten dafür gestimmt, aus der Europäischen Union auszutreten. Ich bedauere diese Entscheidung persönlich sehr und empfinde etwas Trauer. Politisch ist dieser Austritt eine Wegmarke, die unerfreulich für Europa und problematisch für die Briten sein wird.

Persönlich mag ich die Briten sehr. Ich habe 2012 dieses Land für mich entdeckt. Seit dem bin ich sehr oft dort hin gefahren. Ich habe das Land und seine Menschen schätzen und lieben gelernt. Großbritannien ist neben Frankreich mein Lieblingsziel bei Reisen. Daran wird sich, denke ich, nichts ändern.

Allerdings bestehen meinerseits Unsicherheiten für die Zukunft, da die Binnenharmonisierung der EU nicht mehr für Großbritannien gelten wird. Verbraucherrechte, Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die bisher für alle Länder der EU galten, werden nun für die Briten nicht mehr automatisch gelten. Drastischstes Beispiel für mich: Bislang konnte man als EU Bürger mit seiner Krankenversicherungskarte kostenfrei in Großbritannien behandeln lassen. In Zukunft wird man eine Auslandsreisekrankenversicherung benötigen, verbunden mit umständlichen Abrechnungen im Schadensfall und Ungewissheit bei der Unkostenerstattung durch die Versicherung. Nicht zu vergessen sind die finanziellen Vorleistungen, die auf einen Reisenden zukommen, wenn der Schadensfall eintritt.

Für Großbritannien ist diese Entscheidung wahrscheinlich auch nachteilig. Schottland und Nordirland haben bereits erklärt, dass sie nun aus Großbritannien ausscheiden möchten, da sie für den Verbleib in der EU sind. Auch beim Referendum haben sie mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt.

Die jungen Briten haben zu 75 % für den Verbleib in der EU gestimmt. Die älteren Briten haben gegen einen Verbleib gestimmt. Die jungen Briten wissen, wo ihre bessere Zukunft liegen würde. Der Bruch mit der EU bedeutet für viele junge, mobile, gut gebildete Briten den Bruch mit einem persönlichen und beruflichen Aufstieg in Europa. Kleinstaaterei bedeutete immer schon wirtschaftliche und ökonomische Rückständigkeit. Die Jungen werden die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen die Alten eingebrockt haben.

Fährt man aufmerksam durch Großbritannien, findet man viele große Bauwerke, die mit Unterstützung der EU gebaut wurden. Bei meinem letzten Aufenthalt auf der Insel, im März 2016, fand ich die entsprechende Plakette beispielsweise auf der Hafenanlage von Margate. Gut in Erinnerung ist mir diese Plakette aber auch auf der Hafen- und Besucheranlage von John o‘ Groats. Zig Milliarden Euro EU Gelder sind in den letzten Jahrzehnten so nach Großbritannien geflossen. Der Strom versiegt nun abrupt.

Die britische Wirtschaft ist auf Millionen von (billigen) ausländischen Arbeitskräfte angewiesen. Vor allem Polen arbeiten in Großbritannien. Dank des EU Binnenmarktes war das bislang kein Problem. Nun, nach dem Ausscheiden Großbritanniens beginnt wieder der bürokratische Schlamassel. Diesen müssen die Gastarbeiter und die Briten ausbaden. Steigende Preise für die Briten und Arbeitskräftemangel könnten sehr rasch auf die Briten zukommen.

Großbritannien hat mit dem Regierungsantritt von Margaret Thatcher die Deindustrialisierung der Insel begonnen. Sehr viele Produkte für den britischen Markt kommen aus dem Ausland. Großbritannien ist auf einen gut funktionierenden und möglichst unbürokratischen Warenverkehr mit dem Kontinent angewiesen. Durch den Brexit ist dieser massiv gefährdet.

Erfreulich für uns – bedauerlich für die Briten. Durch das Ausscheiden der Briten sinkt der Wert des Pfundes und steigt der Wert des Euros. Unsere Urlaube auf der Insel werden billiger. Die Warenimporte der Briten (sieh Absatz zuvor) werden teurer. Den Preis zahlen die Briten, die selbst dafür gestimmt haben. Hinzu kommen noch steigende Zinsen für britische Kredite.

Besonders kritisch betrachte ich jedoch den geschichtlichen Aspekt des Ausscheidens. Die Geschichte Europas, insbesondere die vielen Kriege in Europa sollten eigentlich allen Bürgern Europas deutlich aufgezeigt haben, dass im nationalen Alleingang und im rein nationalstaatlichen Denken kein Heil und keine Zukunft liegt. Gemeinsamkeit bedeutet, das liegt auf der Hand, Stabilität, Wohlfahrt für alle und Sicherheit.

Ich könnte noch viel mehr Gründe aufführen, warum ich die Entscheidung der Briten für falsch halte. Man muss jedoch sehen, wie es nun in Europa weiter geht. Das Leben geht weiter in der EU, auch ohne die Briten. Ich bedauere die Entscheidung der Briten, werde jedoch weiter nach Großbritannien reisen. Ich werde weiter das Land, die Geschichte, die Kultur und die Menschen lieben.

Über Peter Steil

Peter Steil, Fernwald.
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